Auch nach zwölf Jahren im Kanzleramt vermag es Angela Merkel, die Deutschen hinter sich zu vereinen.
Die Pastoren-Tochter aus der ehemaligen DDR kann rund sechs Wochen vor der Wahl auf 40 % Unterstützung hoffen, Koalitionspartner SPD auf höchstens 25.
Gerade weil sie zumeist unaufgeregt sachlich agiert, erhält Merkel Pluspunkte. Ein Paradoxon, an dem sich bereits viele poltische Gegner die Zähne ausgebissen haben.
Werner J. Patzelt, renommierter Professor für Politikwissenschaft an der TU Dresden, erklärt im SBS-Interview: "Das zentrale Geheimnis der Kanzlerin ist, dass sie Schlachten vermeidet, die sie nicht gewinnen kann."
Außerdem habe sie sich weitestgehend unangreifbar gemacht, beispielsweise weil sie Kernziele der SPD oder der Grünen umzusetzen erlaubt hat - der Ausstieg aus der Kernenergie, die Berufsarmee oder zuletzt die Ehe für alle.

German Chancellor Angela Merkel (CDU) opens the cabinet session at the federal chancellery in Berlin, 19 July 2017. (AAP Images/ Rainer Jensen/dpa) Source: AAP Images/ Rainer Jensen/dpa
Erfolgsrezept: "Ohne Tamtam"
Dr. Steve Wood ist Politikwissenschaftler an der Macquarie University in Sydney mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen und europäische Politik und hat in mehreren Städten Deutschlands gelebt.
Er denkt über die "Mutti der Nation": „Merkel ist nicht bombastisch. Sie stellt sich nicht hin wie ein Politik-Superstar wie es manch andere tun. Sie ist ruhig, effizient und eine sehr kluge Politikerin", sagt Wood. "Außerdem macht sie ihren Job ohne großes Tamtam. Genau deshalb ist sie erfolgreich.“
Merkel genießt ungeachtet ihres eher schröden Politikstils auch breite Zustimmung unter den Jung-Wählern, von denen viele keine andere als eine von ihr geleitete Regierung kennen.
"Sie ist eine Persönlichkeit, die zwar nicht gerade durch Charisma glänzt, aber ihr politischer Stil fällt nie unangenehm auf oder verletzt. Sie ist vernünftig, normal, nicht arrogant. Kurzum, es gibt keinen Grund, sie nicht zumindest zu akzeptieren", sagt Werner Patzelt.
Die Wahl können auch Sie als Auslands-Deutsche mitentscheiden:

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Während die Zeichen in vielen anderen Ländern auf Wandel stehen und jüngste Wahlen von einer Protest-Stimmung gegen etablierte Parteien geprägt waren, geht Deutschland einen Sonderweg.
Energetische neue Polit-Stars wie Emmanuel Macron oder Justin Trudeau hätten in Deutschland derzeit kaum Erfolgschancen, glaubt Wood:
„Die Deutschen wollen – wie Adenauer sagte – keine Experimente. Sie möchten lieber fähige Politiker, keine Personality-Politik wie in manch anderen Ländern.“
"Urlaubende Merkel" im Umfragehoch
Die Zustimmung für Merkels wichtigsten Kontrahenten, SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz, ist nach anfänglicher Euphorie immer weniger spürbar.
„Kurzzeitig schien es eine sehr gute Entscheidung, Martin Schulz vom Europäischen Parlament als Kandidaten zu holen. Es gab einen großen Sprung in den Umfragewerten", sagt der deutschsprachige Dr. Wood von der Macquarie University in Sydney, "aber das ist Geschichte. Die Flitterwochen-Periode ist für Martin Schulz zu Ende.“
Experten glauben, dass der von Schulz gefahrene "Zick-Zack-Kurs", beispielsweise in der Flüchtlingspoltik, bei den Wählern schlecht ankommt.
Allerdings hatte Schulz ohnehin schlechte Karten. Politikwissenschafter Werner J. Patzelt: "Jedes Pferd, auf das die SPD hätte setzen können, hätte geringe Gewinnchancen gehabt. Bei Schulz ist jedoch die Fallhöhe so groß, weil er wie ein Heiland, wie ein wahrscheinlicher Sieger aufgetreten ist."

Chairman of the German Social Democrats and chancellor candidate Martin Schulz speaks on the results of the Berlin Diesel Summit, in Cologne, on 2 August 2017 (AAP Images/ Oliver Berg/dpa) Source: AAP Images/ Oliver Berg/dpa
"Das Problem der SPD heißt ganz klar Angela Merkel." (Werner J. Patzelt)
Auch sämtliche Angriffstaktiken gegen Merkel und ein intensiv geführter Wahlkampf der SPD zeigen kaum Wirkung.
Während die SPD in den letzten Tagen zahlreiche Wahlkampf-Auftritte absolvierte, besuchte Merkel die Festspiele in Bayreuth und Salzburg und urlaubte in Südtirol.
Ist die Wahl damit schon geschlagen?
„Ich denke, die Wahl ist entschieden. Ich sehe keinen Gegner momentan. Auch wenn es die SPD wieder in eine Große Koaltion schafft, Merkel wird bestimmt Kanzerlin bleiben", sagt Dr. Steve Wood.
Aktuelle Umfragen sehen Angela Merkel sehr stabil, während Martin Schulz am bisherigen Tiefpunkt angelangt ist.
Das Meinungsforschungsinstituts "Emnid" sah ihn zuletzt bei 23 %, Merkel bei 38.
Die Linke darf derzeit auf zehn Prozent hoffen, die AfD, Grüne und die FPD auf jeweils acht.