Australiens Anti-Raucher-Erfolg gerät unter Druck: Schwarzmarkt bedroht Gesundheit und Staatseinnahmen

Der illegale Tabakhandel floriert in Australien. Credit: Unsplash
Australien galt lange als Vorreiter im Kampf gegen das Rauchen – mit hohen Tabaksteuern, Einheitsverpackungen und strikten Gesetzen sank die Raucherquote drastisch. Doch nun blüht ein massiver Schwarzmarkt für Zigaretten, der nicht nur dem Staat Milliarden an Steuereinnahmen entgehen lässt, sondern auch Gewalt und organisierte Kriminalität fördert. Experten betonen, dass der illegale Handel durch den hohen Preis legaler Zigaretten angeheizt wird, während politische Gegner die Regierung für eine gescheiterte Strategie kritisieren.
Benjamin Kanthak: Australien galt jahrzehntelang als Vorreiter im
Kampf gegen das Rauchen mit drastischen Gesetzen,
hohen Steuern und klaren Grenzen für die
Tabakindustrie. Doch nun steht das Land vor einem
unerwarteten Ein explodierender Schwarzmarkt für
Zigaretten. Gesundheitsminister Marc Butler
spricht sogar von der größten Bedrohung für die
öffentliche Gesundheit. Was ist schiefgelaufen?
Warum blüht dieser illegale Handel und wie
reagiert die Politik? Was kann man unternehmen?
Darüber spreche ich jetzt mit meiner Kollegin
Barbara Barkhausen, die sich intensiv mit diesem
Thema beschäftigt hat und Nichtraucherin ist,
soweit ich das weiß. Ist das richtig? Barbara Sind
beide Nichtraucher sehr gut, leben länger. Barbara
Australien war ja lange wirklich stolz auf seine
strikten, harten Anti Rauch Gesetze und
Strategien. Wieso steht das Programm jetzt so
massiv in der Kritik?
Barbara Barkhausen: Ja, nun, die Strategie, die wurde ja einst als ein
großer Erfolg gefeiert, aber die hat eben auch ein
paar Schattenseiten jetzt hervorgebracht.
Jahrzehntelang hat ja Australien, wie du weißt,
die Tabaksteuer stetig erhöht und immer strengere
Verbote eingeführt. Rauchen ist wirklich nirgendwo
so teuer und so reguliert wie hier, würde ich
sagen. Doch genau das hat dann eben einen riesigen
Schwarzmarkt geschaffen mit geschätzten
Milliardenverlusten für den Staat, die dann eben
nicht Steuern einnehmen. Gesundheitsminister Marc
Butler hat selbst jüngst von einem explosionsartig
gewachsenen Schwarzmarkt gesprochen, der sich
wirklich im ganzen Land ausgebreitet hat, muss man
sagen.
Benjamin Kanthak: Diese Tabakonists sieht man wirklich in jedem
Stadtteil wirklich zuhauf. Das ist unglaublich.
Das klingt dramatisch. Wie muss man sich diesen
Schwarzmarkt konkret vorstellen?
Barbara Barkhausen: Nun, der ist anscheinend hoch organisiert. Der
Butler hat selbst beschrieben, dass rivalisierende
Banden inzwischen einen eisernen Griff über diesen
illegalen Markt haben. Und da komme es eben auch
zu Gewalt, zu Brandstiftungen, zu Revier kämpfen,
weil diese Gruppen anscheinend mit dem
Zigarettenhandel sehr viel Geld verdienen. Und
dieses Geld, das fließt dann ja auch wieder weiter
in andere kriminelle Geschäfte. Das darf man auch
nicht vergessen. Das finanziert dann wieder
Drogenhandel, Menschenhandel und andere schwere
Delikte. Also da ist das so ein Rattenschwanz, der
dann hinterher kommt.
Benjamin Kanthak: Das ist mal richtig nach hinten losgegangen.
Könnte man da auch sagen. Wie kam es denn
überhaupt so weit? Australien hat doch jahrelang
sinkende Raucherzahlen eigentlich vermeldet.
Barbara Barkhausen: Das stimmt. Also die Zahlen sind zwischen 1991 und
2022 von 24 auf nur noch 8,3 Prozent gefallen.
Riesiger Erfolg. Und ich meine, man muss ja auch
sagen, wenn du nach Europa gehst, da siehst du
allein im Stadtbild sehr viel mehr Menschen, die
rauchen.
Benjamin Kanthak: Definitiv.
Barbara Barkhausen: Hier ist es deutlich weniger, finde ich. Und es
ist aber jetzt so ein bisschen ein Trend da und
das ist mir auch aufgefallen, dass man auf einmal
wieder ein paar mehr Leute sieht, die dieses
Vaping machen. In den vergangenen 18 Monaten
scheint es sich ein bisschen wieder umzukehren.
Und die Australian Medical Association, die warnt
auch, dass die wachsende Verfügbarkeit von
illegalen Zigaretten jetzt wieder zu einem Anstieg
geführt haben könnte, weil unter der Ladentheke,
da werden Packungen wohl für die Hälfte des
Preises verkauft und bei legalen Preisen von über
50 Dollar ist es natürlich verlockend, wenn man es
für die Hälfte kriegt.
Benjamin Kanthak: Ja, das kann ich auf jeden Fall nachvollziehen. Ja
klar ist der Anreiz sehr, sehr groß und das ist ja
auch eine Sucht. Insofern geht das eine ins
andere. Der Staat verliert dadurch natürlich aber
auch massiv Geld.
Barbara Barkhausen: Milliardenbeträge. Allein die Tabaksteuer, die
bringt dem Staat normalerweise enorme Einnahmen,
aber durch den illegalen Handel entgehen ihm
natürlich jetzt geschätzt Milliarden jährlich. Und
deshalb hat jetzt auch die Regierung im März ja
schon reagiert und mehr als 156 Millionen Dollar
zusätzlich. Bereitgestellt, um eben gegen diesen
unerbittlichen illegalen Handel, wie es formuliert
wurde, vorzugehen.
Benjamin Kanthak: Australien war ja auch das erste Land, das
Einheitsverpackungen eingeführt hatte. Welche
Rolle spielt diese Gesetzgebung im jetzigen
Dilemma?
Barbara Barkhausen: Nun, diese Einheitsverpackungen, die gelten
eigentlich als Meilenstein. Das hat ja 2011 die
damalige Premierministerin Julia Gillat
eingeführt, dieses Gesetz gegen den massiven
Widerstand der Tabakindustrie wirklich
durchgeboxt, meinte damals, ja, wir lassen uns
nicht einschüchtern und hat sich dann auch von
juristischen Drohungen von Konzernen wie Philip
Morris da ja nicht abbringen lassen. Und parallel
wurden dann ja auch Raucherzonen immer weiter
eingeschränkt. In Büros, in Restaurants, in
öffentlichen Verkehrsmitteln, in Autos, wo Kinder
mitfahren, ist es ja auch verboten worden. Und all
diese Maßnahmen, die haben das Rauchen
gesellschaftlich weitestgehend verdrängt, aber in
Kombination mit den extrem hohen Preisen ist da
jetzt dadurch auch eben dieser Schwarzmarkt
entstanden.
Benjamin Kanthak: Ja und noch mal, also ich weiß nicht, wie es bei
euch ist in Mandy und Umgebung, aber bei uns oben
gibt es pro Strand irgendwie mehr als einen von
diesen Tabako Läden. Und da fragt man sich
natürlich auch, ob da nur legale Zigaretten
verkauft werden. Mal sehen. Wie reagieren denn
Polizei und Experten auf diese Entwicklung?
Barbara Barkhausen: Nun, der frühere Bundespolizist und der
Grenzschützer Rowan Pike, der hat hier in lokalen
Medien ganz klar gesagt, der wichtigste Treiber
ist der Preis. Eine Zigarette, die kostet heute
rund 1 Dollar 40 pro Stück. Und der Pike
bezeichnete den illegalen Tabakhandel dann als ein
Verbrechenstopf mit geringem Risiko und hohem
Ertrag. Strafen seien zu niedrig, würden selten
konsequent durchgesetzt. Und er meinte sogar, in
seiner Nachbarschaft gäbe es eben zwei Läden, die
ganz offen illegale Ware verkaufen, ohne jede
Angst vor Konsequenzen.
Benjamin Kanthak: Wahnsinn. Gibt es denn auch politische Kritik an
der Regierung?
Barbara Barkhausen: Ja, natürlich von Opposition ist ja klar. Der
stellvertretende Schatten Finanzminister Pat
Conan, der hat inzwischen ganz offen von einer
gescheiterten Strategie gesprochen. Er fordert,
die Regierung müsse einsehen, dass
Steuererhöhungen mitten in einem Schwarzmarktboom
die Lage eben nur noch mal verschlimmern. Wörtlich
sagt er wie viele weitere milliardenschwere
Haushaltslöcher und gewalttätige
Bandenzwischenfälle braucht es denn noch, bis die
Minister zugeben, dass diese Strategie nicht
funktioniert?
Benjamin Kanthak: Ja, ich meine, so ein bisschen erinnert das Ganze
ja wirklich an so Prohibition in Amerika, das
Verbot und dann die hohen Preise. Das ist
natürlich auch so ein perfekter Grund und Boden,
dass dann auch so ein illegaler Tabakhandel dann
floriert. Was sagen denn die
Gesundheitsexpertinnen und Experten dazu? Also
würden die eine Steuer Steuersenkung befürworten?
Barbara Barkhausen: Nun nein. Das ist jetzt ganz interessant. Zum
Beispiel die Professorin für öffentliche
Gesundheit von der University of Sydney, die Becky
Freeman, die Wir haben kein Steuerproblem bei
Tabak, wir haben ein Durchsetzungsproblem. Sie
warnt davor, die Steuer zu senken, weil das sofort
wieder mehr junge Menschen zum Rauchen verleiten
würde. Ihrer Meinung nach, illegale Zigaretten
seien so billig, dass man mit legalen Preisen gar
nicht konkurrieren könne, ohne den
Gesundheitserfolg der letzten Jahrzehnte zu
gefährden, sagt sie. Also das ja.
Benjamin Kanthak: Und ungesund sind die allemal, diese Zigaretten,
weil ich meine Zigaretten allgemein sind nicht
gesund, aber illegale Zigaretten, man weiß ja auch
nicht, was man da dann am Ende raucht in diese
Zigaretten. Insofern, das kommt ja auch
wahrscheinlich auch.
Barbara Barkhausen: Noch, das könnte auch noch mitspielen.
Benjamin Kanthak: Also steht Australien vor einem echten Dilemma.
Barbara Barkhausen: Ja, absolut. Und es ist ja das Paradoxe, je
erfolgreicher das Land beim Eindämmen des Rauchens
war, desto attraktiver wurde der Markt für
Kriminelle. Und Australien hat ja eines der
strengsten Rauchergesetze der Welt. Aber genau das
macht eben hier Tabak auch so lukrativ für den
Schwan Schwarzmarkt. Und der Gesundheitsminister,
der hat selbst ja auch eingeräumt, dass dieser
Schwarzmarkt die größte Bedrohung für das
wichtigste Gesundheitsprogramm des Landes
eigentlich darstellt.
Benjamin Kanthak: Wie machen das andere Länder? Also gibt es dort
ähnliche Probleme?
Barbara Barkhausen: Nun, einige Länder gehen ähnlichen Weg. Neuseeland
hatte ja auch Probleme mit dieser Thematik, wenn
du dich erinnerst, Kanada, Großbritannien. Dort
werden zum Beispiel in Großbritannien werden die
Zigaretten bald jetzt nicht mehr an Menschen
verkauft werden, die nach 2009 geboren wurden.
Aber der Preisunterschied, der ist in Australien
eben besonders extrem. In Kanada hat man in den er
Jahren übrigens mal versucht, die Tabaksteuer
wieder zu senken, aber das hat genau zu diesem
Ergebnis geführt, was jetzt die Professorin auch
erwähnt hat. Plötzlich fingen wieder mehr junge
Menschen an zu rauchen. Australien will natürlich
diesen Fehler vermeiden, steht aber jetzt halt
selber vor der schwierigen Aufgabe, hohe Steuern
zu halten und gleichzeitig diesen illegalen Handel
wirklich in den Griff zu bekommen.
Benjamin Kanthak: Ein komplexes Problem zwischen Gesundheitspolitik
und organisierten Verbrechen. Vielen Dank,
Barbara, für die Information.
Barbara Barkhausen: Gern geschehen.


