"Einen deutschen Trump wird es nicht geben", sagt Dirk Kurbjuweit ganz deutlich. Der stellvertretende Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel stand SBS kürzlich im Rahmen seines Australiens-Besuchs Rede und Antwort.
Der mehrfach mit Journalistenpreisen ausgezeichnete Kurbjuweit ist auch als Buchautor tätig.
Er sieht Angela Merkel in der absoluten Favoritenrolle für den Wahlsieg am 24. September. Auch, weil sich die Kanzlerin seit der Amtseinführung von Donald Trump geschickt als Gegenstück zum US-Präsidenten positioniert hat. Zugute kommt Merkel auch die mehrheitlich kritische Haltung der deutschen Bevölkerung gegenüber Trump.
Indem sie sich immer mehr von ihm distanzierte, avancierte Trump quasi zu einem Wahlkampfhelfer Merkels. Ihre Ablehung gegen den noch neuen Mann im Weißen Haus machte Merkel im Mai auf besonders ungewöhnliche Weise deutlich.
Während ihrer als "Bierzeltrede" bekannt gewordenen Ansprache erkärte sie: "Wir Europäer müssen unser Schicksal in unsere eigene Hand nehmen. Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei."
Anders als Australien hat sich Deutschland unter Angela Merkel seit der Amtseinführung Trumps kontinuierlich von dessen Politik distanziert.
Merkels Position scheint heute gefestigter denn selten zuvor. Und das, obwohl ihre eigene politische Zukunft vor einem Jahr noch als unsicher galt. Erst im November, zwei Wochen nach der US-Wahl, hatte sie erklärt, für eine vierte Amtszeit zu kandidieren.
Nach einem massiven Rückfall in den Umfragewerten als Folge der Flüchtlingskrise 2015/16 hat Merkel zuletzt stetig an Zustimmung gewonnen.
Eine Vielzahl an Faktoren wird der Union am 24. September wohl den Wahlsieg sichern. Laut aktueller Umfragen erreicht die CDU/CSU bis zu 40 Prozent.

Source: Forschungsgruppe Wahlen
Merkels politischer Stil ist einer der Schlüssel-Faktoren.
"Merkel ist anti-Berlusconi, anti-Putin, anti-Erdogan, anti-Kaczynski, anti-Orban - und anti-Trump in einer Person", schreibt dazu die angesehene Neue Zürcher Zeitung.
Warum ist eine deutsche Version von Trump undenkbar?
Nicht nur Offensichtliches, wie das Auftreten, der Stil oder Auffassungsunterschiede bei vielen Themen, unterscheidet Merkel von Trump.
"Die Antwort liegt in den jeweils einzigartigen historischen, politischen, sozialen und kulturellen Hintergründen der USA und Deutschlands", sagt Journalist Dirk Kurbjuweit.
Stabilität ist im deutschen System ein entscheidender Faktor. "Deutschland hat die Erfahrung der Weimarer Republik gemacht, die sehr instabil war mit häufig wechselnden Regierungen, und am Ende haben die Nazis die Macht übernommen. Deshalb sind unsere Verfassung und unser Gemüt so konstruiert, dass wir Stabilität haben wollen."
Die Ex-Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl waren 14 bzw. 16 Jahre an der Macht. Merkel hält bei zwölf.
Des Weiteren sind in Deutschland die Partei-Strukturen einigermaßen streng. Das macht es für politische Quereinsteiger schwierig. Persönlichkeiten aus dem Showbiz oder schrille Unternehmer haben in den USA eine Chance, nicht aber in Deutschland.
"Die Deutschen haben nichts dagegen, sich zu langweilen. Sie hatten Aufregung genug in ihrer Geschichte." (Dirk Kurbjuweit)
Angela Merkelt steht laut Kurbjuweit auch für eine Politik der kleinen Schritte. "Sie dreht hier eine Schraube, öffnet dort ein Ventil und stellt gleichzeitig auch sicher, nicht zu viel Hoffnung zu schüren."
Anders als in den USA steht in Deutschland das System im Zentrum. Während in Washington alles davon abhängt, wer an der Macht ist, gilt das deutsche Regierungssystem als stabil und beständig.
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SBS German´s Christian Froelicher with Dirk Kurbjuweit Source: SBS