Welche Politik verspricht mir meine Partei?

Rund die Hälfte der Wähler gibt fünf Wochen vor der Bundestagswahl 2017 an, noch nicht zu wissen, was sie wählen wird. Gemeinsam mit einem Experten klärt SBS German im Vorfeld der Wahl die Programme sowie die Chancen der sechs größten Parteien Deutschlands.

The German Bundestag, national parliament of Germany pictured Tuesday July 4, 2006. (AAP Image/Dave Hunt) NO ARCHIVING

The German Bundestag, national parliament of Germany pictured Tuesday July 4, 2006. (AAP Image/Dave Hunt) Source: AAP

Grundlegend können bei deutschen Bundestagswahlen Parteien mit ihren Kandidaten sowie einzelne Personen antreten.

Jene, die zuvor nicht im Bundestag oder einem Landesparlament (mit mindestens fünf Abgeordneten) vertreten waren, mussten ihre Beteiligung an der Wahl anmelden. 63 Parteien und politische Vereinigungen haben dies getan.

Neben den Großparteien gibt es zahlreiche "Exoten", darunter beispielsweise die Bergpartei, die HipHop Partei oder auch die Magdeburger Gartenpartei.

Im Folgenden findet sich ein Überblick über jene Parteien, die in den Umfragen voran liegen und aller Wahrscheinlichkeit nach den Einzug in den Bundestag schaffen.

CDU/CSU

Die Union wirbt im Vorfeld der Bundestagswahl insbesondere mit den Themen Innere Sicherheit, Steuer-Erleichterung und Wohnungs-Neubau. Außerdem mit dem Ziel Vollbeschäftigung bis 2025, was einer Halbierung der Arbeitslosigkeit (derzeit 5,5 Prozent) gleichkommt.

Mit der geplanten Erhöhung des Kindergeldes sollen vor allem Familien angesprochen werden.

Die CDU kann gemeinsam mit ihrer Schwesterpartei, der CSU, damit rechnen, am 24. September stimmenstärkste Partei zu werden. Alle Umfragen sehen sie konstant bei rund 40 Prozent (Stand: Mitte August).
Sehr gezielt wurden in den letzten Jahren Kernthemen der Sozialdemokraten, der Grünen und der Linken von der Union besetzt. Bestes und jüngstes Beispiel ist die Öffnung der Ehe für Gleichgeschlechtliche, was letztlich die Kanzlerin mit einer überraschenden Kehrtwende und der Aufhebung des Fraktionszwanges im Bundestag möglich gemacht hat.

"Spitzenkandidatin Angela Merkel hat sich weitestgehend unangreifbar gemacht, weil sie Kernziele der Konkurrenz umzusetzen erlaubt hat. Sie hat ihre Stammwählerschaft. Paradox ist aber, dass sich die intensivsten Beführworter einer Fortsetzung ihrer Kanzlerschaft inzwischen bei den Grünen befinden", sagt Werner J. Patzelt. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden mit den Schwerpunkten "Parlamente, Parteien und politische Kommunikation". Patzelt ist Verfasser mehrerer Bücher und tritt regelmäßig in deutschen Medien als Experte auf.
Political scientist Werner J. Patzelt
Political scientist Werner J. Patzelt analyses the upcoming elections for SBS German (Wikimedia/Wkpatzelt CC-BY-SA 4.0) Source: Wikimedia/Wkpatzelt CC-BY-SA 4.0

SPD

Klassische sozialdemokratische Themen sind auch 2017 Kernpunkte des Wahlprogramms der SPD unter Spitzenkandidat Martin Schulz. Dabei steht ein Thema klar im Mittelpunkt: Soziale Gerechtigkeit.

Weitere Punkte sind die Stabilisierung des Rentenniveaus, die Schaffung unbefristeter Arbeitsplätze und auch gebührenfreie Bildung. Außerdem wirbt die SPD mit einer humanitären Flüchtlingspolitik und unverändert mit einem deutlichen Ja zu Europa.
Mehr denn je sehen sich die Sozialdemokraten aber mit dem Problem konfrontiert, dass sie mit ihren Schwerpunkten nicht mehr alleine dastehen.

Politologe Patzelt erklärt: "Klassische Themen sind von der Union weggenommen worden. Bei anderen sozialdemokratischen Themen gelangt man in den Bereich des abnehmenden Grenznutzens. Das heißt: Viele sozialdemokratische Ziele sind bereits verwirklicht, sodass ein Mehr den Wählern nicht mehr richtig einleuchtet."

Der Slogan "Soziale Gerechtigkeit" funktioniere kaum, weil die Menschen gar nicht den Eindruck haben, als gäbe es damit ein sonderliches Problem.

"Die SPD ist klar eingezwängt zwischen einer sich sozialdemokratisierenden CDU und zwei anderen linken Parteien: den Grünen und der Linken. Da bleibt wenig Spielraum. Diese ausweglose Situation zieht die Partei nach unten."

Alternative für Deutschland

Auch in Deutschland ist mit der AfD eine Protestpartei entstanden, die, so Prof. Patzelt, "zur Familie des deutschen Rechtspopulismus zählt." Dieser hat in Deutschland allerdings geringere Ausmaße als in anderen europäischen Staaten, wie beispielsweise Frankreich oder den Niederlanden. Rechtspopulismus in Deutschland gibt es laut Patzelt nur "phasenweise".

"Der Grund dafür ist, dass in Deutschland eine starke Partei im rechten Bereich, nämlich die CDU/CSU, die Wähler rechts der Mitte eingefangen und an sich gebunden hat. Lange Zeit gab es das Dogma, dass rechts der Union keine demokratisch legitimierte Partei entstehen dürfte."

Die beiden Unionsparteien haben über Jahre hinweg politische Themen aufgegriffen, die jenen wichtig sind, die sich als politisch rechts empfinden. Beispiel hierfür ist eine über lange Jahre konservative Haltung in der Familienpolitik der Union.

Merkels Schwenk nach Links hat jedoch eine Lücke entstehen lassen, die rechten Parteien Raum gibt.
Alice Weidel and Alexander Gauland, prime candidates for the Alternative for Germany party. The party loses ground according to latest polls. (lose ground)
Alexander Gauland and Alice Weidel, prime candidates for the Alternative for Germany party. The party loses ground according to latest polls. (AAP Image/ Michael Kappeler/dpa) Source: AAP Image/ Michael Kappeler/dpa
Die AfD schaffte seit ihrer Gründung 2013 den Einzug in 13 von 16 Landtagen und wird aller Voraussicht nach auch in den Bundestag einziehen.

Zentrale Themen sind die Zuwanderung und die Ausbreitung des Islams. Sie vertritt außerdem eine konservative Familienpolitik und ist traditionell kritisch gegenüber der Europäischen Union und dem Klimawandel.

In den Schlagzeilen war die Partei vor allem durch innerparteiliche Machtkämpfe und auch ihr nicht vollends geklärtes Verhältnis zur Pegida.

FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke

Die Prognosen sehen die FDP mit rund zehn Prozent als drittstärkste Kraft im nächsten deutschen Bundestag. Damit löst die Freie Demokratische Partei die AfD ab, der zu Beginn des Jahres noch Platz drei prognostiziert wurde. Und während die AfD und Grüne im Juli noch gleichauf waren, fiel die AfD im August mit sieben Prozent auf Platz sechs zurück.

Die FDP verspricht ihren Wählern bessere Bildungsmöglichkeiten, Steuererleichterungen für die Wirtschaft, den Abbau bürokratischer Hürden sowie eine Abschaffung der Sonntagsruhe.

Sowohl die Linkspartei als auch die Grünen dürfen mit einem Verbleib im Bundestag rechnen. Laut Prognosen liegen beide Parteien bei rund acht Prozent.

Die Linke wirbt mit dem Slogan „Sozial. Gerecht. Frieden. Für alle“. Gemeint ist damit vor allem soziale Gerechtigkeit und der Kampf gegen Armut in Deutschland.

"Die Linkspartei kann auf acht Prozent hoffen, weil sie linke Themen authentischer als die SPD vertritt, die auch dem Prinzip des Realismus sehr stark zu huldigen hat", glaubt Politologe Werner J. Patzelt.
The co-top candidate of the German Alliance 90/The Greens Party, Katrin Goering-Eckardt poses near the Brandemburg Gate in Berlin, 14 August 2017
The co-top candidate of the German Alliance 90/The Greens Party, Katrin Goering-Eckardt poses near the Brandenburg Gate in Berlin, 14 August 2017 (AAP Image/EPA/FELIPE TRUEBA) Source: AAP Image/EPA/FELIPE TRUEBA
Die Grünen setzen wenig überraschend auf Umwelt- und Klimaschutz sowie eine gerechte Familien- und Frauenpolitik.

Professor Patzelt sagt: "Die Grünen haben sich inzwischen zur Partei der akademisch gebildeten, wirtschaftlich gut etablierten Mittelschichten entwickelt. Das sichert ihnen einen Grundstock an Wählern. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden sie genauso wie die Linke in den Bundestag kommen. Aber insgesamt werden sie so schwach sein, dass eine linke Regierung nicht zu bilden sein wird."
Hier finden Sie weitere detaillierte Beiträge zur Bundestagswahl:

"Mutti Merkel" hat alle Trümpfe in der Hand

SBS German berichtet verstärkt über die Bundestagswahl 2017. Im Radio, online und über Facebook.


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By Maria Schaller

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